Ein Tessin-Krimi zum Apéritif?

Annemarie Regez erweitert mit ihrem Roman: «Die Lago Maggiore Morde» die Palette der Tessin-Krimis – und spielt mit uns Katz und Maus. 


Mord und Abgründe, da wo andere Urlaub machen. Was könnte Tessinbesucher mehr beflügeln als ein spannender Regionalkrimi, der seine Leserinnen und Leser mitnimmt auf eine Kennenlerntour zu Tatorten, lauschigen Plätzen und Geschichten der Gegend. Der Tessin-Krimi von Annemarie Regez belässt es dabei nicht. 

Für die Autorin – halb schweizerischer, halb italienischer Abstammung – ist Locarno die Zweitheimat ihrer Wahl. Ihr Buch lässt die Verbundenheit mit Sprache, Land und Leute des Tessins durchscheinen. Zu bekannt kommen einem die Figuren der Handlung vor: ob es sich um den ermordeten Deutschschweizer «Grosskotz» mit Faible für geschmacklose, aber teure Sammler-Sneakers handelt oder um die Damen, die ihre Sportbekleidung in Leoparden-Print in der Lingerie-Abteilung eines Kaufhauses aussuchen. Wir glauben sie von irgendwoher zu kennen. Wahrscheinlich aus einem Fitness-Center, dessen Besitzer Marco heisst. Und Roberta, die Kommissarin, die mit einer besorgniserregend familiengründungsfreudigen Journalistin liiert ist, haben wir auch schon irgendwo getroffen. Regez´ scharfe Beobachtungsgabe driftet nie ins Bissig-Ironische. Eher trocken mutet ihre Sprache an, während ihre Figuren Emotionen und Motive offenbaren. Oder auch nicht. 

Die Autorin lässt den bzw. die Mörderin mehrmals das Wort an die Lesenden richten. Immer wieder blendet sich «M» mit Lageeinschätzungen, Geständnissen und Ankündigungen in den Erzählfluss. Ein schöner Kniff, der das Psychogramm der Person skizziert, um es sogleich wieder zu verwischen. Nicht nur die handelnden Personen werden von ihr – M – in die Irre geführt, auch die Leserinnen und Leser.

Am Ende des Buches merkt man: Dies war nur der Apéritif – gespannt warten wir auf den nächsten Gang, der bereits in Arbeit ist. 

Die Handlung

 In der Tessiner Stadt Locarno wird in einer Physiotherapiepraxis der Patient Jacques Leutenegger ermordet auf der Therapieliege gefunden. Der Verstorbene war aufgrund seines herrischen Verhaltens und seiner Angeberei wenig beliebt, weshalb eine beträchtliche Anzahl von Personen als mögliche Täter in Frage kommt. Kommissarin Roberta Casanova stösst auf eine Reihe von Ereignissen in der Vergangenheit. Die losen Fäden der Lebensgeschichten zu verknüpfen, stellt sie vor eine grosse Herausforderung. 

Über die Autorin

Annemarie Regez, geboren 1962, ist im Berner Oberland aufgewachsen. An den Universitäten Bern und Tübingen studierte sie Philosophie und Germanistik, Dialektologie und Volkskunde. Danach arbeitete sie als Journalistin und PR-Redaktorin. Seit 1993 lebt sie als freie Schriftstellerin und Bibliothekarin im Kanton Schwyz. Mehr auf ihrer Website.


7 Fragen an Annemarie Regez


 
Annemarie, ist es Zufall, dass uns die Figuren so bekannt vorkommen?
Ja, das ist wirklich Zufall. Allerdings stellte ich fest, dass das Leben immer wieder Fantasie imitiert – und umgekehrt. Also Ähnlichkeiten mit realen Personen sind wirklich zufällig und nicht beabsichtigt.

Weshalb sind Sie so vertraut mit Land und Leuten?
Seit ca. vier Jahren haben wir eine Zweitwohnung in Locarno. Wann immer ich es einrichten kann, verbringe ich meine Zeit hier. Da ich halb Italienerin bin, zieht es mich immer wieder in den Süden. Ich habe auch in Deutschland studiert und gelebt, aber das Leben dort hat nicht die gleiche Anziehungskraft für mich wie das Tessin.

Wie entstand die Idee, einen Tessinkrimi zu schreiben?
Die Idee zum Krimi ist mir in Locarno während der Pandemie gekommen. Zuvor hatte ich schon andere literarische Formen ausprobiert. Als ich dann eine Physiotherapie durchführen musste und in der Praxis das Zusammentreffen von Menschen aus verschiedenen Welten erlebte, hat mich das inspiriert. Ich bekam Lust, mit diesem «Personal» einen Krimi zu schreiben. Als ich das Exposé dem Gmeiner Verlag vorstellte, war dieser gleich dabei.

Du beschreibst Menschen wie eine Flaneurin – quasi en passant. Ist dies Absicht?
Ich mag das Zynische nicht. Ich beobachte zwar und ich schildere gerne komische Komponenten, möchte aber nicht abwerten.

Hattest Du beim Schreiben ein reales Vorbild für den Tätercharakter im Sinn?
Eigentlich nicht. Ich wollte einfach die Tätersicht einflechten und das Menschliche darstellen. Für den Charakter selbst hatte ich kein Vorbild – jedenfalls kein Bewusstes.

Hast Du Dich mit der realen Polizeiarbeit beschäftigt?
Ich habe mit Bekannten gesprochen, die sich auskennen, und sie gegenlesen lassen. Orte habe ich sehr realitätsnah beschrieben. Die detaillierten Prozesse der Polizeiarbeit wollte ich allerdings nicht in den Mittelpunkt stellen.

Wann kommt das nächste Buch? 
Ich bin bereits dran. Die traurige Nachricht ist: Marco wird sterben. 



Lesung in Ascona

Annemarie Regez liest aus ihrem brandneuen Tessin-Krimi. Im Gespräch mit Karen Heidl gibt sie uns Einblicke in ihre Arbeit und einen Ausblick darauf, wie es weitergehen könnte. Aber, liebe Krimi-Fans, lasst Euch nicht in die Irre führen!

Wann: 1. September um 18.00 Uhr

Ort: Galleria Sacchetti, Garten, Eingang Via Collegio 17 in Ascona 

Anmeldung erbeten per Email: [email protected] 
oder Telefon 079 907 29 00