Niklaus Starck: Libreria della Rondine Ascona 1951-2021
Interview mit dem Autor
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«Die Rondine soll über das Antiquariat und den 'schönen Buchladen' hinaus ein Ort der Begegnung werden.»
Das wünscht sich Niklaus Starck, der Verleger und Autor des gerade erschienenen Buchs über die Libreria della Rondine. Gerne schliesse ich mich dieser Vision an. Nur bei der Vorstellung eines Kaminfeuers in der Rondine zuckte ich nervös zusammen.
Warum sich Niklaus Stark mit einem Buch der Libreria della Rondine gewidmet hat und was er sich wünscht, damit die Libreria della Rondine auch ihren 100sten in allen Ehren noch feiern kann, verrät er uns im Interview.
Niklaus, Du hast in Deinem Verlag – porzio.ch – schon viele Publikationen mit Bezug zu Ascona herausgebracht: über Künstler, Orte, Institutionen und Landschaft. Sie alle zeichnen sich durch Deine akribische, quellengenaue Recherche aus. Deine Arbeit erinnert mich mitunter an die eines Archivars. Was ist Deine Motivation und was gibt Dir die Energie?
Auf diese Frage gibt es ein kurze und eine etwas ausführlichere Antwort. Die Kurze: Meine Energie ist meine Neugier, der Wissensdurst, meine Motivation der Anspruch, Vergangenes nicht der Vergessenheit zu überlassen. Hinzu kommt die Freude am Schreiben, an der Kultur der geschriebenen Sprache, die mich seit meiner Kindheit fasziniert. Ja, ich lege grossen Wert auf die Authentizität meiner Texte, aber als Archivar würde ich mich doch nicht bezeichnen, das tönt für mich etwas verstaubt. Ich bin eher der Chronist, der Geschichte nacherzählt, neu beleuchtet, wobei wir bei der ausführlicheren Antwort angelangt sind. Ich habe zum Beispiel ein Buch über das Marionettentheater von Ascona geschrieben, etwas, das Asconas Kultur über Jahrzehnte massgebend mitgetragen und beeinflusst hat. Ein anderes handelt vom «Aerodromo di Ascona», eine von Benzin, Glamour, und «Skandälchen» geprägte Institution aus der Zeit des «guten, alten Ascona». Ein weiteres erzählt von beiden Knobel Schwestern aus dem Glarnerland. Die eine war Schriftstellerin, die andere Malerin. Sie lebten in Brissago und mischten im Kulturbetrieb am Verbano kräftig mit. Das sind Themen, die mich interessieren.
Nun hast Du Dich mit Deinem neuen Buch der Libreria della Rondine gewidmet, die dieses Jahr ihr 70stes Jubiläum feiert. Wann warst Du das erste Mal in der Libreria?
Wir kamen kurz nach der Jahrtausendwende an den Lago Maggiore und lebten rund zwanzig Jahre hier. Die Rondine hat uns sofort angezogen. Wir besuchten Angelika Sowinski, Deine Vorgängerin, und ihre Bücher oft. Die Rondine ist mir als Chronist, aber auch in der Person von Leo Kok immer wieder begegnet, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Marionettentheater – er war dort der Pianist. Auch auf die von Hanspeter Manz herausgegebenen Bücher zu Tessiner Kulturthemen bin ich immer wieder gestossen und habe damit gearbeitet. Manz war ein weiterer Rondine-Antiquar und Verleger.
Welche persönlichen Erinnerungen verbindest Du mit der Libreria della Rondine?
Die Rondine war mir quasi ein roter Faden durch die Kulturvergangenheit von Ascona, ein Faden, der sich bis in die Gegenwart zieht. Das ist ein seltener Glücksfall für das Dorf; die Rondine ist ein Unikum und für mich ein wertvoller Ort für meine Recherchen.
Für das Buch hast Du mit einigen Menschen gesprochen. Gab es Begegnungen, die Dich besonders beschäftigt haben?
Die gab es. Der Austausch mit Gideon Boss zum Beispiel, er hat unter seinem Label «Gideon Boss Musikproduktion» die CD mit Pianomusik von Leo Kok eingespielt. Gideon ist ein profunder Kenner des Menschen Kok, er hat mich in einer wunderbaren Art und Weise unterstützt. Oder das Gespräch mit Hanspeter Manz, einem Menschen, der mit einer gewissen Verachtung über seine Zeit in Ascona gesprochen hat, einer Verachtung gegenüber dem «offiziellen Ascona». Auch die Tatsache, dass Manz’ Bruder der Neonazi-Szene nahestand, ging mir nahe, unterschiedlicher kann die Gesinnung zwischen zwei Brüdern wohl nicht sein.
Ascona ist ein Ort, an dem auch viele Geschichten kursieren, deren Ursprünge häufig unklar sind. Gab es besonders skurrile Erzählungen?
Auch die gab es, es gibt sie immer. Aber darüber «schweigt des Sängers Höflichkeit».
Für die Libreria della Rondine haben sich viele Menschen engagiert, die bestrebt waren, den Bücherort am Leben zu erhalten. Wie aus der Geschichte, die Du ja im Buch darstellst, hervorgeht, sind die ökonomischen Rahmenbedingungen dafür nicht einfach. Hast Du aufgrund Deiner Recherchen Ideen oder Anregungen gewonnen, damit der Libreria della Rondine auch zu ihrem 100sten Geburtstag noch gratuliert werden kann?
Eine ähnliche Frage habe ich bereits vor zehn Jahren so beantwortet: Die Rondine soll über das Antiquariat und den «schönen Buchladen» hinaus ein Ort der Begegnung werden. Zum Beispiel mit einem monatlichen «Kultur-Apéro», auch während der Winterzeit, am warmen Kaminfeuer. Mit Buchvorstellungen, Lesungen, kleinen Konzerten. Die «Edizioni della Rondine» von einst sollten wieder aktiviert werden, mit einem jährlich erscheinenden Kalender, dem «Rondine-Kalender», mit einem Sortiment von «Rondine-Kunstkarten» und spezifischen Publikationen. Und im hinteren Raum des Obergeschosses könnte «Asconas kleines Literaturmuseum» entstehen, mit Wechselausstellungen zu literarischen Leckerbissen aus Asconas Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.